Hypoadrenokortizismus bei Hunden – 
„Der große Täuscher"​

Hypoadrenokortizismus (hAK) beschreibt eine Insuffizienz der Nebennierenrinde. Als Folge werden zu wenig Kortikosteroide produziert.

Der Hypoadrenokortizismus kann entweder als primär oder sekundär klassifiziert werden.

Primärer Hypoadrenokortizismus (Morbus Addison)
(> 95 % der Fälle)

  • meist immunvermittelte Zellzerstörung der Nebennierenrinde
  • selten aufgrund von Durchblutungsstörungen, Infektionen, Arzneimittelwirkungen oder Neoplasien

Glukokortikoidmangel (v.a. Cortisol) und meist
Mineralokortikoidmangel (v.a. Aldosteron)

Sekundärer Hypoadrenokortizismus
(< 5 % der Fälle)

  • ACTH-Mangel (Dysfunktion der Hypophyse)
  • Atrophie der Zona reticularis und fasciculata
     

Glukokortikoidmangel (v.a. Cortisol)
 


Sehr selten kann es aufgrund eines Mangels an Renin zu einem sekundären Mineralokortikoid-Mangel kommen.

Die Nebenniere ist in eine Kortex (Rinde) und eine Medulla (Mark) aufgeteilt. Die Rinde wird in drei Regionen unterteilt: Zona reticularis, Zona fasciculata, Zona glomerulosa (Abb. 1). 

Abb. 1: Architektur der Nebenniere

Aldosteron und Cortisol

Vorkommen und Anzeichen

Morbus Addison tritt meist bei jungen bis mittelalten Hunden erstmals in Erscheinung (medianes Alter: 4 Jahre). Jeder Hund kann einen Hypoadrenokortizismus entwickeln. Einige Rassen besitzen eine genetische Prädisposition (siehe Abbildungen). Die höchste Prävalenz mit 9,73 % besitzt der Pyrenäenberghund1.

Weitere prädisponierte Rassen sind Leonberger, Deutsche Doggen, West Highland White Terrier oder Rottweiler.

Abb. 3: Pyrenäenberghund, Portugiesicher Wasserhund, Cocker-Spaniel, Nova Scotia Duck Tolling Retriever, Pudel, Bearded Collie (v. l. n. r.)

Symptome und Laborveränderungen 

Die Symptome von Morbus Addison sind nicht spezifisch und ähneln vielen anderen Krankheiten. Sie treten mal mehr und mal weniger in Erscheinung und entwickeln sich schleichend. 

Mögliche Anzeichen eines Hypoadrenokortizismus

Tabelle 1 - Mögliche Anzeichen Mögliche Anzeichen eines Hypoadrenokortizismus 

fast immer​ häufig seltener
schlechter Appetit,
Lethargie/ Apathie






 
Erbrechen,
Durchfall,
Gewichtsverlust,
Dehydratation,
Schwäche



 
blutiger Durchfall,
schmerzhaftes Abdomen,
Zittern, Muskelzuckungen oder
Muskelsteifheit,
PU/PD,
Bradykardie,
Hypothermie,
Regurgitation,
Meläna

Die meisten Hunde zeigen chronisch-rezidivierende Lethargie, Fressunlust, Erbrechen und Durchfall.
 


Ca. 4 % der Hunde mit chronischen gastrointestinalen Symptomen leiden unter Morbus Addison2.

 

Mögliche Laborveränderungen bei einem Hypoadrenokortizismus

Tabelle 2 - Mögliche Laborveränderungen bei einem Hypoadrenokortizismus

Hämatologie​ Klinische Chemie

Fehlen eines Stressleukogramms,
Eosinophilie,
Lymphozytose,
Anämie

 

↑ Kalium,
↓ Natrium, ↓ Chlorid,
↑ Phosphat, ↑ Calcium,
↓ Albumin, ↓ Glukose, ↓ Cholesterin,
(prä-renale) Azotämie,
metabolische Azidose

 

Urinstatus: spez. Harngewicht (USG) < 1,030. In Kombination mit einer prä-renalen Azotämie besteht die Verwechslungsgefahr mit einer Nierenerkrankung.



Viele erkrankte Hunde sprechen auf eine symptomatische Behandlung mit Flüssigkeitsinfusionen an.
Aufgrund der fehlenden Spezifität der klinischen Symptome kann der Hypoadrenokortizismus leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden, wie akutes Nierenversagen, akute Pankreatitis, infektiöse Enteritis oder Hepatitis, um nur einige zu nennen.
 

Unbehandelt kann sich Morbus Addison zu einem akuten, lebensbedrohlichen Notfall entwickeln (Nebennierenkrise).

 

Die Nebennierenkrise ist ein lebensbedrohlicher Notfall. Die Patienten zeigen oft Symptome eines hypovolämischen Schocks.

Hunde, die an einer Nebennierenkrise leiden, zeigen häufig:​

  • Generalisierte Dehydratation​​
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Viele betroffene Hunde weisen, trotz des Volumenmangels,
    keine Tachykardie auf. Grund ist die bradykarde Wirkung
    der Hyperkaliämie. Es ist jedoch wichtig, einen
    Hypoadrenokortizismus nicht aufgrund einer
    erhöhten Herzfrequenz auszuschließen.

zur Therapie der Nebennierenkrise

Quellen:

  1. Fallbericht „Mira“ Morbus Addison ohne Lektrolytverschiebungen Astrid Wehner 09/2021
  2. Hauck C, Schmitz SS, Burgener IA, et al. Prevalence and characterization of hypoadrenocorticism in dogs with signs of chronic gastrointestinal disease: A multicenter study. J Vet Intern Med. 2020;1–7.
  3.  Adler, J. A, Drobatz, K. J & Hess, R. S (2007) Abnormalities of serum electrolyte concentrations in dogs with hypoadrenocorticism. Journal of Veterinary Internal Medicine / American College of Veterinary Internal  Medicine, 21(6), 1168–1173
  4. Seth, M et al (2011) White blood cell count and the sodium to potassium ratio to screen for hypoadrenocorticism in dogs. Journal of Veterinary Internal Medicine/ American College of Veterinary Internal Medicine,  25(6), 1351–1356
  5. Baumstark, M.E et al (2014) Use of plasma renin activity to monitor mineralocorticoid treatment in dogs with primary hypoadrenocorticism: desoxycorticosterone versus fludrocortisone. Journal of Veterinary Internal Medicine 28(5): 1471-8
  6. E.C. Feldman et al: Canine & feline endocrinology 4th edition p.508
  7. Therapy of primary hypoadrenocorticism in dogs with low dose desoxycorticosterone pivalate“ Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2020 Jun;48(3):171-175
  8. Sieber-Ruckstuhl: Addison‘s disease: management and monitoring (ESVE Summer School 2022)
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